Raimund Fahlbusch, Hannover

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Raimund Fahlbusch

Oberlandesgerichtsrat i.R., Hannover

geboren am 10. Juni 1924, aufgewachsen in Hannover, Abitur an der Humboldtschule in Hannover, Soldat im II. Weltkrieg

Nach dem Krieg Studium der Rechtswissenschaften, Referendariat z.T. am Amtsgericht Duderstadt,

Staatsanwalt in Hildesheim, Richter an verschiedenen Gerichten in Hannover, Berichterstatter eines Senats des Oberlandesgerichtes in Celle

Oberlandesgerichtsrat Raimund Fahlbusch

Privater Genealoge und Familienforscher seit ca. 1936; Schwerpunkt: Untereichsfeld. Besitzer einer umfangreichen Bibliothek mit Primär- und Sekundärliteratur zum Forschungsgebiet.

Umfangreiches sonstiges literarisches Interesse mit einer Bibliothek mit mehr als 26.000 Büchern oder sonstigen Schriften.

Raimund Fahlbusch und seine Bibliothek

Durch die Eltern Robert Fahlbusch und Marie Gleitze Einbindung in zwei Familien, die teilw. mehr als 500 Jahre im Untereichsfeld nachgewiesen sind.

Im hohen Alter voller Engagement (2007)


NACHRUF

von Benutzer:Reinh.Fahlbusch

Am 25. September 2012 ist Raimund Fahlbusch verstorben. Neben allem, was von und über ihn aus seinem reichhaltigen, beruflich erfolgreichen und sehr selbstbestimmten Leben zu sagen wäre, hat er sich um die Erforschung und Dokumentation vieler Familiengeschichten in und um Bodensee im Eichsfeld, insbesondere die Geschichte der Familien Fahlbusch und Gleitze, unsterbliche Verdienste erworben. Wir alle, die wir uns mit unseren Familiengeschichten beschäftigen, profitieren auf irgendeine Art und Weise von seiner unermüdlichen Arbeit, die ihn 75 Jahre seines Lebens begleitet hat. Noch drei Tage vor seinem Tode hat er seiner Nichte und mir aus dem Krankenbett heraus, in körperliche Schwäche, jedoch wachen Geistes, alte Fotos, teilweise aus der Zeit im und vor dem 1.Weltkrieg erläutert und damit wertvolle Informationen hinterlassen. Seine Obsession, so kann man es im guten Sinne wohl nennen, hat ihn bis an sein Ende begleitet.

Requiem aeternam dona ei, Domine:et lux perpetua luceat ei.Te decet hymnus, Deus, in Sion,et tibi reddetur votum in Jerusalem:exaudi orationem meam,ad te omnis caro veniet. (Requiem, Introitus)


Lebenssatt (2012)

Was ihn bewegte

Wir sitzen auf einem Berg von Vergangenheit und merken es nicht.' (Michael Chrichton)

Mit seinen Worten gesagt:

Mein Lebtag lang – wer kennt heute noch diese Formulierung – war es fast eine Obsession, mich intensiv und kontinuierlich mit der Geschichte der Gemeinde Bodensee im niedersächsischen Eichsfeld und der darin wohnenden Familien zu beschäftigen. Neben meinen umfangreichen Reisen in alle Teile der Welt ist es die Geschichte dieses überschaubaren Raumes von wenigen Quadratkilometern, sind es dessen Geschichten gewesen, die meine Zeit, die mir der Beruf als Richter und die Familie gelassen haben, seit meinen Jugendjahren ausfüllten. Meine Herkunft hat mir dazu den Antrieb, die Ausbildung und der Beruf haben mir ergänzend Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Die in der Vergangenheit latente wirtschaftliche Armut des Eichsfeldes, aus dem ich über beide Eltern abstamme, hat dazu geführt, dass dort zielstrebige, fleißige und sparsame Menschen gelebt haben und diese Eigenschaften Bestandteil des Erbgutes wurden. So von meinen Vorfahren ausgerüstet, konnte ich mit wissenschaftlicher Methodik forschen, dokumentieren und archivieren. Ich gehöre zum Rest der Generation, die als letzte ohne Massenmedien aufgewachsen ist. Meine Erinnerung ist gefüllt vom Geist der vielen Abende, als die Älteren sich nach der Tagesarbeit erzählten, was war und was gewesen ist. Die mündliche Überlieferung ist eine wertvolle Ergänzung des Quellenstudiums gewesen. Geschichten vervollständigten die Geschichte. Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen – das hat mich geleitet.

Der Ansatz der Forschung und deren Ergebnis führten zu mehr als der übliche Ahnenforschung. Im Kontext der allgemeinen politischen Entwicklung ist eine Chronik entstanden, die anders ist. Üblicherweise werden, gestützt auf Geschichtszahlen, die Ereignisse vertikal betrachtet. Meine Arbeit hat zu einer horizontalen Betrachtung geführt. Die Beobachtung der Entwicklungen der einzelnen Familien hat dazu geführt, den Menschen, nicht das Ereignis im Vordergrund zu sehen.

Diese Arbeitsergebnisse sind jetzt zusammenzufassen und zugänglich zu machen. Die Notwendigkeit dazu erklärt sich aus folgendem tiefgreifenden Wandel:

Meine Wurzeln reichen in die Zeit der Bodenständigkeit zurück. Stabilitas loci, das lebenslange Verweilen an einem Ort, war der Regelfall. Die Lebensnotwendigkeit des Eichsfeldes, zumeist als nachgeborener Sohn eines Bauern das Brot als Wanderarbeiter in der Fremde zu verdienen, spricht nicht dagegen. Das war!

Was trat an dessen Stelle? Mein Blick hat die aktuelle Tendenz im Auge: Die eichsfeldischen Dörfer werden von den jungen Leuten verlassen. Die Landwirtschaft bietet auf breiter Basis, ein Gemeinwesen dominierend, keine Existenzgrundlage mehr. Schon vor zwei Generationen waren Städte wie Hannover, Dortmund, Köln und Berlin Sammelbecken eichsfeldischer Handwerker, die nur noch zu Besuch „nach unten“ fuhren – und die Zeiträume zwischen den Besuchen wurden immer länger. Die Kinder dieser Menschen, die in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Eichsfeld verließen, haben noch eine Vorstellung von der Gegend, die seit 1.500 Jahren die Menschen prägte, von denen sie abstammen. Sie befinden sich selbst aber bereits im letzten Lebensdrittel. Deren Kinder wiederum, die inzwischen auch Eltern geworden sind, fehlt jegliche Vorstellung vom Eichsfeld. Ein oder zwei Besuche – wenn überhaupt – hinterlassen keinen nachhaltigen Eindruck. Die mündliche Überlieferung ist abgebrochen. Die Regionalisierung und Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens hat eine enorme Sprengwirkung. Wenn die Generation der Groß- und Urgroßväter vorübergehend noch als Wanderarbeiter nach Hannover, Magdeburg, das Ruhrgebiet oder das Rheinland gingen, so geht die junge Generation nach Shanghai, New York, London, Mexiko City usw. und kehrt – wenn überhaupt – an andere Geburtsorte zurück.

Der Weggang der Jungen wird durch den Zuzug der Fremden, die beispielsweise von Göttingen her zusiedeln, nicht ausgeglichen. So erfreulich und notwendig dieser Zuzug ist, allein um die Überalterung der Dörfer zu verlangsamen, er verstärkt die Tendenz, dass die Bevölkerung sich nur noch zu einem immer kleineren Teil aus nativen Eichsfeldern zusammensetzt.

Die in alle Welt verstreuten Nachkommen eichsfeldischer Bauern heiraten Partner aus anderen Gebieten. Das begann schon vor 60 Jahren, als die Kriegfolge „Vertreibung“ Menschen aus dem Osten Deutschlands und Europas in eine Gegend brachte, in der man auch durch Heirat untereinander blieb. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Krieg brachte Gastarbeiter aus dem Süden Europas; die Wanderungsbewegung der Gegenwart führte die jungen Menschen in alle Welt. Die Verbundenheit mit dem Eichsfeld, früher ein gemeinsames Anliegen von Eheleuten, besteht nicht mehr.

Vieles werde ich mit mir nehmen. Das Essentielle hat Benutzer:Reinh.Fahlbusch in einer Datenbank zusammen gefasst - für künftige Generationen.Ein Baum ohne Wurzeln kann keine Krone entwickeln. Wir sollten wissen, was unsere Grundlagen sind.

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